Der englische Dichter John Milton schrieb diese Zeilen in den 1660er Jahren in seinem epischen Gedicht Das verlorene Paradies*. Es war eine Zeit der gescheiterten Revolutionen, der religiösen Unterdrückung, der sozialen Konflikte und der Pest, die das Land heimsuchte und gegen die es weder Impfstoffe noch wirksame Schutzmassnahmen oder Intensivstationen gab.
Ich werde oft an seine Worte erinnert, und sie geben mir Hoffnung. Zum Glück kennen heute in der Schweiz nur wenige von uns das schreckliche Leid derjenigen, die einen geliebten Menschen durch eine Pandemie verloren haben oder chronisch krank sind. In den letzten Tagen wurde darüber diskutiert, ob wir Skifahren gehen können oder ob die Trams weiterfahren werden. Für die meisten Menschen ist SARS-CoV2 eine Unannehmlichkeit und nicht lebensbedrohlich. Dennoch verursacht die Pandemie grosses Leid in der Welt, und es hilft mir, mich daran zu erinnern, dass Pandemien nichts Neues sind und das normale Leben zurückkehren wird.
Deshalb haben ich und drei Mitstreiter mitten in der Pandemie eine Initiative für mehr patientenzentrierte Forschung zu rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen gestartet. Im Mai haben wir eine Stiftung namens RheumaCura gegründet. Mehr dazu erfahren Sie auf unserer Website.
Als ich RheumaCura gründete, fragte ich mich, ob wir uns nicht mit dieser unmittelbaren Krise befassen sollten. Milton erinnert mich jedoch daran, dass diese Zeiten vorübergehen werden und dass aber die Herausforderungen, die es zu lösen gilt, immer noch bestehen werden. Eine bessere Behandlung und die Suche nach Heilungsmöglichkeiten für rheumatische Erkrankungen sind immer noch wichtig und es gibt viel zu tun.
Unser Bestreben, die Patient*innen stärker in die Gesundheitsversorgung einzubeziehen, hat vielleicht etwas mit der aktuellen Krise zu tun. Die Bewältigung der Pandemie wird dadurch verlangsamt, dass nicht genügend Menschen geimpft wurden. In der Schweiz ist ein Impfstoff für alle verfügbar, aber ein bedeutender Teil der Bevölkerung will ihn nicht. Dies könnte nun zu einer beispiellosen Gesundheitskrise in der Schweiz führen, die nach Ansicht der Gesundheitsexperten völlig vermeidbar wäre. Wenn wir eines aus Covid-19 gelernt haben, dann, dass die Gesundheitsbehörden gegen die Pandemie machtlos sind, wenn die Bevölkerung ihre Initiativen nicht unterstützt.
Die Gründe für die Ablehnung von Impfungen sind vielschichtig, aber ein wichtiger Aspekt ist sicherlich das Vertrauen. Mike Ryan, Leiter des Programms für gesundheitliche Notfälle bei der Weltgesundheits-organisation, erklärte kürzlich: "Was mich bei dieser Pandemie am meisten schockiert hat, war das Fehlen oder der Verlust von Vertrauen", sagte er über die mangelnde Bereitschaft der Menschen, den Ratschlägen der Verantwortlichen für das öffentliche Gesundheitswesen und den von den Regierungen festgelegten Eindämmungsmassnahmen zu folgen.
Menschen, die kein Vertrauen in Gesundheitsexperten oder fundierte wissenschaftliche Beweise, in demokratisch gewählte Regierungsbehörden oder in die Medien haben, werden den von diesen Quellen gelieferten Informationen kein Glauben schenken. Sie geben sich Ängsten hin, die keine wissenschaftliche Grundlage haben. Die amerikanische Wissenschaftsjournalistin Tara Haelle schreibt anschaulich über die Gründe für die zögerliche Haltung gegenüber Impfungen, über ihre lange Geschichte und darüber, warum niemand überrascht sein sollte.
Doch selbst unter der geimpften Mehrheit ist die Wahrnehmung weit verbreitet, dass das Gesundheitswesen in der Schweiz stark von der Pharmaindustrie, von Leistungserbringern wie riesigen Spitälern und von korporatistischen Einrichtungen wie den Verbänden der Krankenversicherer beeinflusst wird. Das System ist hochkomplex, hierarchisch und für Aussenstehende nicht leicht zu verstehen. Patient*innen fühlen sich oft wie Objekte in einer riesigen und mächtigen Industrie, in der sie per definitionem verletzlich sind. Es könnte mehr Vertrauen und Zusammenarbeit im Gesundheitswesen entstehen, wenn es bürgernäher wäre und die Bürger*innen stärker einbezogen wären und sich selbst stärker beteiligten.
Ein Gesundheitssystem, wo die Patientenstimme auf allen Ebenen gehört wird, bietet eine bessere Versorgung und kann das Vertrauen in gesundheitlichen Empfehlungen stärke. Die Umsetzung der empfohlenen Massnahmen durch die Patient*innen ist wichtig für die beste Behandlung oder das optimale Ergebnis. Dies haben wir noch nie so deutlich gesehen wie bei der aktuellen Pandemie.
Lesen Sie mehr über unsere Vision und Arbeit auf der RheumaCura Website
* John Milton: Das verlorene Paradies. Aus dem Englischen von Hans Heinrich Meier, Stuttgart 2008